Unser vier Jahre altes Wasserbüffelweibchen Elfe ist am 25. Juni vom Tiergarten Schönbrunn ins Mühlviertel übersiedelt. Im Europaschutzgebiet Maltsch in der Gemeinde Leopoldschlag wartet auf Elfe nicht nur eine achtköpfige Büffelherde, sondern auch eine große Aufgabe: Sie wird gemeinsam mit ihren Artgenossen auf den Feuchtwiesen grasen und damit dafür sorgen, die biologische Vielfalt zu erhalten.
Der Landschaftspflegeverein Freiwald-Maltsch und das Infozentrum Natura 2000 haben gemeinsam mit der Gemeinde Leopoldschlag und dem Tiergarten Schönbrunn vor einem Jahr dieses einzigartige Projekt ins Leben gerufen. Tiergartendirektorin Dagmar Schratter hat Elfe auf ihrer Reise ins Mühlviertel begleitet. „Wir unterstützen das Beweidungsprojekt sehr gerne, weil es zwei Themen vereint, die uns als Tiergarten wichtig sind: den aktiven Naturschutz und die tiergerechte Haltung. Es wird hier ein Landschaftstypus geschaffen und erhalten, der zahlreichen Tierarten, die bereits selten geworden sind, Lebensraum bietet. Gleichzeitig ist für das Wohl der Wasserbüffel gesorgt. Die Überschwemmungswiesen der Maltsch sind genau der Lebensraum, der ihren Vorlieben entspricht.“ Die domestizierten Wasserbüffel haben sich die Liebe zum Wasser von ihren wilden Vorfahren erhalten und sind daher zur Beweidung von feuchten Flächen besonders geeignet.
Beweidete Flächen prägten die Kulturlandschaft Europas, allerdings wird es immer schwieriger, alte Nutzungstraditionen aufrechtzuerhalten. Die landwirtschaftliche Struktur wandelt sich rasant und die Konkurrenz um Nutzflächen nimmt stark zu. Vor diesem Hintergrund steht die Landschaftspflege vor der großen Herausforderung, Flächen mit hoher biologischer Vielfalt zu erhalten. Effizienter Arten- und Lebensraumschutz ist auch aus wirtschaftlichen Gründen notwendig. So kann eine Beweidung für den Erhalt vieler Lebensraumtypen eine kostengünstige Alternative zu Mahd oder maschineller Gehölzreduktion darstellen.
Johann Weinzinger, Obmann des Landschaftspflegevereins Freiwald-Maltsch: „Eine konventionelle Landwirtschaft ist in diesem Gebiet nicht sinnvoll, weil sie den Landwirten keine kostendeckenden Erträge bringt. Man kann dort keine Traktoren einsetzen. Brach liegen darf das Land aber auch nicht, das Flussufer würde bald mit Sträuchern zuwachsen. Die Büffel sind genügsam und grasen die Feuchtwiesen ab, ohne den Boden zu beschädigen.“ Das Projekt ermögliche es, großflächige offene Wiesenbereiche zu entwickeln und zu erhalten und damit ein wichtiges und prioritäres Ziel im Managementplan zum Europaschutzgebiet zu erreichen.
Vor gut einem Jahr hat Johann Weinziger gemeinsam mit dem Infozentrum NATURA 2000, der Gemeinde Leopoldschlag und dem Tiergarten Schönbrunn das Projekt „Wasserbüffel“ ins Leben gerufen. Die ersten Erfahrungen sind durchwegs positiv, sagt Weinzinger: „Die Büffel sind pflegeleicht. Von Mitte Oktober bis Mitte Mai sind sie im Stall, die restliche Zeit grasen sie vorerst auf der eingezäunten Versuchsfläche von rund zehn Hektar. Wir haben vor, die Herde nach und nach auf 20 Muttertiere zu vergrößern und zum Beweiden auf Feuchtwiesen einzusetzen, die anders schwer zu bewirtschaften sind.“
Landschaftspflege setzt nachhaltige Landwirtschaft voraus
Nachhaltige Landwirtschaft, die den Umweltschutz genauso im Fokus haben soll, wie die Wirtschaftlichkeit, ist Weinzinger ein großes Anliegen: „Die Bauern sollen durch den Erhalt der Feuchtwiesen keine Einbußen haben. Der Landschaftspflegeverein setzt sich zum Beispiel dafür ein, dass sie Ersatzfutter erhalten, wenn sie auf die Mahd verzichten, um seltene Tierarten wie den Wachtelkönig zu schützen.“ Für die Landschaftspflege wird immer wieder Unterstützung gebraucht: „Wir freuen uns über jede Hilfe!“, sagt Weinzinger, der Freiwillige ersucht, sich bei ihm zu melden.
Wasserbüffel tragen zur Erhaltung der Artenvielfalt bei
„Die Suhlen und Wasserlöcher, die entstehen, wenn sich die Büffel wälzen, bieten einzigartige Lebensräume für viele Amphibien und Reptilien“, informiert Wolfgang Sollberger vom Infozentrum NATURA 2000, „dazu kommt der Dung der Wasserbüffel, der Insekten und Käfer anzieht, die wiederum die Nahrungsgrundlage für verschiedene Wiesenvögel und Fledermausarten bilden.“ Fischotter und Luchse sind im Europaschutzgebiet Maltsch noch heimisch. Die teilweise offene Kulturlandschaft sowie die Feuchtwiesen entlang der Maltsch bieten auch seltenen Wiesenvögeln Lebensraum: Wachtelkönig, Neuntöter, Braunkehlchen und Bekassine sind Sommervögel und brüten an der Maltsch und in der Freiwaldregion. Das Haselhuhn bewohnt die jungen Sukzessionsstadien des Waldes.
Auch seltene Pflanzenarten sind im Europaschutzgebiet heimisch: Von den Unterwasserpflanzen über verschiedene Ausprägungen des Borstgrasrasens, Pfeifengraswiesen, Flachland- und Bergmähwiesen und Schwarz-Erlen und -Eschen. Alle diese Pflanzen gelten laut der Roten Liste gefährdeter Biotypen des Umweltbundesamts als gefährdet oder stark gefährdet , wobei die Überdüngung, die thermische Belastung durch Kühlwässer, die Regulierung und Verbauung der Flüsse einerseits, die Verbauung des Landes, die Nutzung als Ackerland, Aufforstung und Verbuschung sowie Düngung die Hauptursachen dafür sind. "Das Ziel des Infozentrums NATURA 2000 ist es, natürliche Lebensräume zu erhalten und die Artenvielfalt zu sichern. Das Projekt Wasserbüffel kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten“, ist Wolfgang Sollberger überzeugt.