Die Menagerie des Kaisers
Die Entstehung des Tiergarten Schönbrunn geht auf Franz Stephan von Lothringen, den Ehemann Kaiserin Maria Theresias, zurück. Franz Stephan, der 1745 als Franz I. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen gewählt worden war, beauftragte den ebenfalls aus Lothringen stammenden Architekten Jean Nicolas Jadot de Ville-Issey mit dem Entwurf für eine Menagerie im Park der neuen Habsburg-Lothringischen Sommerresidenz Schönbrunn.
Die Anlage bestand aus zwölf Gehegen mit jeweils gleich großen Tierhäusern und einem Verwaltungsgebäude mit einem vorgelagerten Gartenteil (alles zusammen später als "Logenkreis" bezeichnet). Dazu kamen ein Teich und zwei Höfe mit weiteren Gebäuden. Das Ensemble war vom übrigen Schlossgarten und den anderen benachbarten Grundstücken durch eine Mauer getrennt.
Im Sommer 1752, nach etwa einjähriger Bauzeit, wurde die Anlage mit Tieren besetzt und Besuchern vorgestellt.
Der als Frühstücksraum und Salon konzipierte achteckige Pavillon im Zentrum der Anlage wurde erst 1759 fertiggestellt. Er stellt bis heute das historische Kernstück des Tiergartens dar. Seit 1949 wird er als Café-Restaurant genutzt.
Publikumsmagnet schon vor 200 Jahren
Die Menagerie Schönbrunn war bis gegen Ende der Regierungszeit Maria Theresias (Maria Theresia starb 1780, Franz Stephan 1765) im Wesentlichen der kaiserlichen Familie vorbehalten. Neben Diplomaten und privaten Gästen zählten aber auch bald schon Schulklassen zu den Besuchern der Anlage.
1778 wurde die Menagerie zusammen mit Schloss und Park für "anständig gekleidete Personen" geöffnet - zunächst jedoch nur an Sonntagen.
Nachdem 1770 der erste Elefant und 1781 mit Wölfen und Bären auch erstmals "Raubtiere" nach Schönbrunn gekommen waren, nahm unter dem Einfluss der Napoleonischen Kriege und der damit verbundenen politischen, gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen die Bedeutung der Menagerie weiter zu.
Um 1800 kamen die ersten Eisbären, Großkatzen, Hyänen und Kängurus sowie ein weiteres Paar Indischer Elefanten nach Schönbrunn. Die neuen Tiere waren "Publikumsmagneten" - sie lockten Besucher aus Wien und seiner Umgebung, aber auch viele ausländische Gäste in die kaiserliche Menagerie.
Zu jener Zeit war der Tiergarten bereits täglich zu besichtigen und die ersten ausführlicheren Beschreibungen und "Zooführer" entstanden.
Anfang des 19. Jahrhunderts: alles à la Giraffe
Unter Franz II./I., der Österreich von 1792 bis 1835 regierte, erhielt Schönbrunn als Geschenk des Vizekönigs von Ägypten erstmals eine Giraffe.
Ihre Ankunft im Jahr 1828 beeinflusste in Wien Mode, Kunsthandwerk und Gesellschaftsleben und führte zu einem nie da gewesenen Zustrom von Besuchern. Unter anderem entstanden Kleider, Handschuhe und Gebrauchsgegenstände mit Giraffenmotiven, Frisuren und ein Parfüm à la Giraffe. Auch eine Giraffentorte und die "Giraffeln", ein Mürbgebäck, das noch bis weit ins 20. Jahrhundert im Sortiment der Wiener Bäcker zu finden war, wurden erfunden.
Der Wiener Theaterdirektor und Schriftsteller Adolf Bäuerle schrieb das Theaterstück "Die Giraffe in Wien oder alles à la Giraffe", und es wurden zwei Musikstücke komponiert, deren Noten bis heute erhalten sind.
Zum architektonischen Erbe des Biedermeier gehörten in Schönbrunn neben dem noch heute bestehenden Giraffenhaus auch zwei große Bärenzwinger und ein Affenhaus mit einem achteckigen Sprungturm. Beide Anlagen sind nicht mehr erhalten.
Die modernen Zeiten brechen an
Im späten 19. Jahrhundert veränderte sich das Erscheinungsbild der Menagerie signifikant. Alois Kraus (1840-1926), der den Tiergarten von 1879 bis Anfang 1919 leitete, erreichte eine tier- und besucherfreundlichere Umgestaltung der historischen Bauten.
Viele der Gehege wurden in einem damals als artgerecht empfundenen Sinn mit Felskulissen und Baumdekorationen neu eingerichtet. Die Wege wurden saniert, neue Bänke wurden aufgestellt, Wasserleitungen und Sanitäranlagen wurden gebaut.
Auch die barocken Mauern zwischen den Tiergehegen und rund um den Logenkreis wurden durch Gitter ersetzt. Auf diese Weise verlor die Anlage ihr mittlerweile als zu eng empfundenes Erscheinungsbild.
Im Pavillon wurde eine Papageienschau eingerichtet, wobei die Käfige und Stangen mit den Tieren bei geöffneten Fenstern auf kleinen Schienen ins Freie geschoben werden konnten. Dort waren die Vögel unter großen Baldachinen vor zu intensiver Sonneneinstrahlung geschützt.
Insgesamt sorgten die Modernisierungen und Neubauten von Tierhäusern und Wirtschaftsgebäuden sowie kleine Erweiterungen der Anlage nach Osten und Süden dafür, dass Schönbrunn am Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem modernen "zoologischen Garten" wurde, der mit knapp 3500 Tieren in über 700 Arten, darunter Elefanten, Nashörner, Flusspferde, Tapire, Giraffen, Ameisenbären, Robben und zahlreiche Großkatzen- und Bärenarten, zu den schönsten Tiergärten der Welt gehörte. Die Anlage blieb dennoch bis zum Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie Privatbesitz der kaiserlichen Familie.
Bomben, Hunger und Erneuerung: die Ära von Otto Antonius
Die beiden Weltkriege setzten dem Tiergarten und seinen Mitarbeitern sehr zu. Während des Ersten Weltkrieges und danach ließen Versorgungsengpässe und die damit verbundenen hygienischen Probleme den Tierbestand um beinahe 85 Prozent auf knapp 400 zurückgehen.
Die Tiergarten-Verwaltung schaffte es aber sowohl 1918 als auch 1945 unter Mithilfe der Wiener Bevölkerung, privater Förderer und der seit 1921 zuständigen staatlichen Stellen, den Betrieb im Tiergarten Schönbrunn aufrecht zu erhalten und seinen Fortbestand zu sichern.
Zu den großen Herausforderungen der Zwischenkriegszeit zählten neben dem Auffüllen des lückenhaften Tierbestandes und den am dringendsten nötigen Sanierungsarbeiten die Modernisierung der inzwischen wieder technisch veralteten Tierhäuser und die Einbindung Schönbrunns in die neuen internationalen Arbeitsprogramme der Zoos.
Unter Otto Antonius (1885-1945, Direktor 1924-1945), der zugleich der erste Biologe als Leiter des Tiergartens Schönbrunn war, stieg der Tierstand bis 1930 wieder auf mehr als 3000 Individuen.
Otto Antonius realisierte auch eine neue Volieren-Anlage für Greifvögel, die heute für die Erhaltungszucht von Waldrappen genutzt wird und eine Gruppe Roter Sichler beherbergt. Zu den weiteren wichtigen Bauprojekten dieser Zeit gehören die Modernisierung des Affenhauses und zweier Raubtierhäuser sowie eine neue Seelöwenanlage und neue Gehege für Braun- und Eisbären. Im Ausbaubereich östlich des historischen Geländes, dessen Zuteilung an den Tiergarten Antonius erreichte, entstanden unter anderem zusätzliche Teichanlagen für Schwimm- und Stelzvögel und ein Elchgehege.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges kosteten Bombentreffer auf Tiergarten und Schlosspark vielen Tieren das Leben. Unter ihnen war auch der beliebte afrikanische Nashornbulle "Toni", der zur Freude der Besucher bis zu seinem Tod seinen Pfleger auf sich reiten ließ.
Neu: Public Relations, Naturschutz und Wissenschaft
Antonius führte in Schönbrunn die Idee der Nachzucht vom Aussterben bedrohter Tierarten ein, wobei er sich besonders für die von der Ausrottung bedrohten Wisente einsetzte. Er engagierte sich auch in der Volksbildung, warb für den Naturschutz und intensivierte den immer wichtiger werdenden Kontakt zu den Medien.
Auch die Verbindungen zu Universitäten und Museen wurden von nun an wesentlich besser gepflegt, sodass ein reger wissenschaftlicher Austausch stattfand - von dem bis heute zahlreiche Präparate in den verschiedenen Schau- und Lehrsammlungen zeugen.
Anlässlich der 1926 in Wien abgehaltenen Konferenz der Vereinigung der Direktoren mitteleuropäischer zoologischer Gärten wurde die Bezeichnung "Menagerie" offiziell durch den Begriff "Tiergarten" ersetzt. Im Volksmund und in der Presse wurde allerdings, etwas nostalgisierend, noch lange gerne von der "Menagerie Schönbrunn" gesprochen.
Nach der Neukonstituierung der Zoodirektoren-Vereinigung (Basel, 1935) wurde Otto Antonius 1938 erster Vizepräsident des nunmehrigen "Internationalen Verbandes von Direktoren Zoologischer Gärten" und nach dem altersbedingten Rücktritt Kurt Priemels 1940 noch kommissarischer Leiter. Seine Wahl zum Präsidenten verhinderte nur der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.
Die Jahre des Wiederaufbaus
Nach 1945 standen zunächst vor allem der Wiederaufbau der zerstörten oder stark beschädigten Bauten und Verbesserungen der technischen Infrastruktur im Vordergrund.
Unter anderem wurden ein leistungsfähiges Kanalsystem, ein Kesselhaus zur Versorgung der neu erbauten Tierhäuser mit Fernwärme und ein moderner Wirtschaftshof mit Kühlräumen, Schlachthaus und Quarantänestation errichtet.
1959 wurde an Stelle des durch Bombentreffer baufällig gewordenen ehemaligen Straußen- und Reptilienhauses, in dem sich seit 1923 ein Restaurant befunden hatte, ein modernes neues Aquarienhaus in Betrieb genommen.
Die mediengerechte Auftritte von Julius Brachetka (Direktor 1945-1958), oft in Begleitung von Schönbrunner Tieren, waren eine Mischung aus tiergärtnerischem Engagement und Unterhaltung und entsprachen dem neuen Zeitgeist. Die ersten Plakate, von denen viele auch prämiert wurden, entstanden, und Fotowettbewerbe wurden veranstaltet.
Mit der Neubebauung des ehemaligen Kleinen Fasangartens - die vor dem Zweiten Weltkrieg dort entstandenen Gehege waren 1945 durch Bomben zerstört worden - erreichte der Tiergarten Schönbrunn unter Walter Fiedler (Direktor 1959-1987) nahezu eine Verdopplung seiner ursprünglichen Fläche auf nunmehr zwölf Hektar.
Bis zum Beginn der 1970er Jahre wurden hier Gehege für Stelz- und Wasservögel, Hirsche, Bergwiederkäuer, Pinguine, Bären und Robben errichtet, die als Freisichtanlagen konzipiert waren.
Weitere Meilensteine unter Walter Fiedler waren die Eröffnung eines Kinderzoos (1969) und die Einrichtung einer Zoopädagogischen Abteilung (1976).
Ausgliederung und Aufschwung
Trotz dieser Neuerungen und trotz zum Teil herausragender Zuchterfolge - so gelang bereits 1960 die Handaufzucht eines Eisbärenbabys („Kara") oder 1961 die weltweit erste Nachzucht europäischer Seeadler - hatte der Tiergarten bald mit Imageproblemen zu kämpfen. Die Tierhaltung galt als veraltet und die Besucherzahlen waren rückläufig.
Diskussionen über die Auflösung des Tiergartens bzw. über seine Verlegung in einen anderen Wiener Bezirk wurden 1991 durch die Gründung der „Schönbrunner Tiergarten GmbH" beendet. Der Tiergarten wurde als Schönbrunner Tiergarten-Ges.m.b.H. aus der Bundesverwaltung ausgegliedert, blieb aber zu 100 Prozent im Eigentum der Republik Österreich. Alleingeschäftsführer wurde der Tiroler Tierarzt Helmut Pechlaner - bis dahin Direktor des AlpenzoosInnsbruck.
Seither hat sich der älteste Zoo der Welt auch zu einem der schönsten und modernsten entwickelt, in dem sich in einzigartiger Weise ein historischer barocker Baukern mit neuester Tiergarten-Architektur verbindet. Der Tiergarten Schönbrunn bietet seinen Besuchern ein breites Erlebnis- und Informationsangebot und arbeitet auf nationaler und internationaler Ebene an vorderster Front an vielen wichtigen Arterhaltungs- und Naturschutzprojekten mit.